Bis zum 2. Weltkrieg war es auf Lista üblich, auf Möwenjagd zu gehen. Diese Jagd wurde von kleinen Steinburgen am Strand aus betrieben, sogenannte Möwenstellungen. Der Jagdertrag brachte den Haushalten einen willkommenen Beitrag an Frischfleisch.
Für viele war diese Jagd eine Leidenschaft. Erwachsene Männer, intensiv mit der Arbeit auf dem Hof beschäftigt, ließen alles stehen und liegen sobald die Schüsse der Möwenjagd zu hören waren, griffen ihre Flinte und stürzten davon. Die Möwenjäger lagen in Deckung der Möwenstellungen und schossen von dort aus. Die Vögel wurden auf unterschiedliche Weise zu den Stellungen gelockt, u.a.schwenkte man abgeschnittene Möwenflügel. Das Manöver nannte man "å blekke".
Waren die Möwen erlegt und unter Dach und Fach, nutzte man alle Teile der Beute. Die Federn kamen in einen Sack und die Daunen in einen Leinenbeutel. Das Möwenfleisch eignete sich zum Braten und zum Pökeln; Möwensuppe war ein alltägliches und geschätztes Gericht. War der Fang gut, hatte man mehr Fleisch als erforderlich; das Fleisch wurde in diesen Fällen in Fässern eingesalzen. An der Lista-Küste gibt es noch mehrfach Reste solcher Möwenstellungen.
Für die beschriebene Jagd galten komplizierte eigene Regeln, mit besonderen Ausdrücken wie "eierskot" und "bonk".
"Eierskot", das Recht auf den ersten Schuss, gehörte dem, der zuerst an die Stellung kam. Hatte der Erste geschossen, war der Nächste dran, unter der Voraussetzung, dass er vor Abfeuern des ersten Schusses an die Stellung gekommen war.
Verfehlte der Erstrangige sein Ziel, konnten alle anderen auf die gleiche Möwe schießen ("bonke"), ohne Berücksichtigung der Reihenfolge.
Guter Fang bei der Möwenjagd 1938.
Möwenstellung an den Listastränden.